Fahrplan Einkaufsdigitalisierung

Wie man Einkaufsprozesse erfolgreich digitalisiert?
Max Winkler von Neuman Aluminium liefert die Antworten! Mit seinem bewährten Fahrplan zur Einkaufsdigitalisierung - von der Einbindung aller Stakeholder bis zur Weiterentwicklung für die Zukunft des Buyings bzw. der Einkaufsabteilung zur Innovationsabteilung!

Fahrplan zur Digitalisierung

Mit 13 Produktionsstätten in Europa, China, den USA und Mexiko sowie über 3.000 Mitarbeitern zählt NEUMAN ALUMINIUM zu den weltweit führenden Experten für Aluminiumumformung. In Österreich begann man mit der Digitalisierung der Einkaufsprozesse – und sah sich dabei besonderen Herausforderungen ausgesetzt. Aber was sind die Schlüsselfaktoren für erfolgreiche Digitalisierung im Buying? Die Erfahrung von Neuman liefert einen wertvollen Leitfaden für alle, die die Digitalisierung vorantreiben.

Als Max Winkler, MBA, Global Head of Group Procurement bei Neuman, im Jahr 2020 den Entschluss zur Digitalisierung fasste, stand er vor einer Situation, wie sie in vielen Unternehmen weit verbreitet ist. „Obwohl die betroffenen vier Werke in Niederösterreich nur wenige Kilometer voneinander entfernt liegen, trennten die Einkaufsabteilungen der vier Divisionen Welten!“ Denn trotz einheitlichem ERP-System waren die Beschaffungsvorgänge inhomogen: „Die einen erhielten Bestellungen per Mail und übertrugen diese manuell ins System; die andere arbeiteten mit BANF samt Nacherfassung und telefonischer Bestellung. Transparenz im Beschaffungsvolumen nach Warengruppen oder Lieferantenübersicht? Undenkbar!“

Optimierungspotenzial im Opex- und Capex-Bereich

Oberste Prämisse war daher die Homogenisierung der Beschaffungsprozesse. „Der Weg dorthin musste aus meiner Sicht mit der Digitalisierung starten, um in weiterer Folge über eine Standardisierung zum gewünschten Ergebnis zu kommen.“ Die Meilensteine auf diesem Weg standen fest: fehlerfreie Beschaffungen über ein einfaches System, effizientere, homogene Prozesse in allen vier Units und einheitliche KPIs. „Der Start war in Österreich, gefolgt von der Ausweitung auf die deutschen und slowakischen Werke“, so Winkler. Doch zunächst brauchte es den nötigen Funken für die Zündung – und den holte er sich von der Geschäftsführung.

Mehr Erfolg mit Rückhalt vom C-Level

„Wir sind ein eigentümergeführtes Unternehmen“, beschreibt Winkler die Ausgangslage. Die damit verbundenen kurzen Entscheidungswege nutzte er, um die Geschäftsführung vom Projekt zu überzeugen. „Natürlich wurde dazu ein Business-Case samt Einsparungspotenzial errechnet. Aber dabei muss man sich immer bewusst sein, dass diese Zahlen die wahren Vorteile maximal andeuten, mehr nicht!“ Denn tatsächlich liefere Digitalisierung durch die Fokussierung auf die Kernkompetenzen des Einkaufs (also die Lieferantenpflege oder die eklatante Kostenreduktion durch die Konzentration von Warengruppen) ungleich höheren Mehrwert. „Alleine durch die freigewordenen Ressourcen für die Weiterentwicklung interner Prozesse zur Qualitätssteigerung, was für uns als Automobilzulieferer besondere Bedeutung hat, macht sich Digitalisierung bezahlt! Insofern ist die Entscheidung für eProcurement absolut risikofrei.“ Mit dieser Darlegung der langfristigen Vorteile erhielt Winkler das Commitment der Geschäftsführung. „Das lieferte den Rückenwind, um den Einkauf zum Entwicklungsturbo fürs ganze Unternehmen zu machen!“

Erfolgsfaktor Change-Management

„Ich glaube, das wird viel zu oft vernachlässigt. Und war bei uns aufgrund des unterschiedlichen Entwicklungsstands der einzelnen Units – die einen arbeiteten im Einkauf schon sehr digital, die anderen trugen Zettel spazieren – eine besondere Herausforderung“, erinnert sich Winkler. Notwendig waren daher unterschiedliche Setups, um individuelle Akzeptanz für administrierte, strukturierte Prozesse zu schaffen, und Anwender zu überzeugen. „Da kommt natürlich regelmäßig der Einwand, dass es bislang ja auch so funktioniert hat, weshalb man Argumente bringen muss, die dem Einzelnen Vorteile liefern!“ Das Bewusstsein fürs Risk-Management, die Fokussierung auf Zeitersparnis und Qualitätssicherung und die Auswirkungen aufs ganze Unternehmen bewiesen Zugkraft. „Hier ein Verantwortungsgefühl für die Total Costs of Ownership zu schaffen und z.B. die Fehlervermeidung als Vorteil für jeden Einzelnen zu betonen, hat sich bei uns bewährt.“


Top-down vs. demokratische Entwicklung

Erfolgsentscheidend sei aber auch die strategische Herangehensweise, betont Winkler: „Ich kann das einer ausgewählten Expertengruppe überlassen oder dem oberen Management. Oder ich kann diesen Prozess demokratisieren und von der Geschäftsführung bis zu den Anwendern möglichst alle einbinden. Bei Neuman haben wir uns aufgrund unseres Unternehmensspirits für Letzteres entschieden.“ Dieser Ansatz erfordere aber ein motivierendes Big Picture, gibt der Global Head of Group Procurement zu bedenken: „Das war bei uns, wie bereits zuvor angeführt, im Wesentlichen von den Vorteilen fürs gesamte Unternehmen gezeichnet.“ Und noch einen Tipp hat er für eine derartige Digitalisierungsstrategie parat: „Man sollte sich bei einer so breit angelegten Initiative immer Schlüsselpersonen suchen, die ihr Umfeld motivieren und beobachten, so kann man diesen Prozess viel besser steuern.“

Step-by-Step-Roll-out

„So verlockend es wirken mag, den Big-Bang zu initiieren, das funktioniert nur in der Theorie“, meint Winkler und empfiehlt daher eine schrittweise Einführung: „Wir haben zunächst einmal die ERP-Prozesse vereinheitlicht, bevor wir eProcurement und später eSourcing einführten. Das folgte einem klaren, abgestuften Plan.“

Erfolgsfaktor Technologie

Dabei spielte auch die Technologieentscheidung eine Rolle. „Zunächst haben wir uns Marktplätze wie mercateo angesehen. Das hat uns aber aufgrund mangelnder Kontrolle der Lieferanten in Bezug auf Preise und Sortimente nicht überzeugt.“ Daher sei die Entscheidung für ein eProcurement-System gefallen. „Uns war hierbei auch wichtig, entsprechend viele Möglichkeiten zu haben, die Funktionen der lebendigen Organisation anzupassen. Ebenso ist Usability für die Anwenderakzeptanz ein entscheidendes Thema!“ In der konkreten Umsetzung zeigte sich, dass die am wenigsten digitalisierte Unit die schnellsten Fortschritte machte: „Damit bewährte sich auch die Entscheidung für DIG GmbH, die uns neben dem fairen Preismodell und der räumlichen Nähe mit einem intuitiven Nutzungskonzept überzeugte.“ Außerdem war Winkler die stete Weiterentwicklung der Prozessdigitalisierung ein wichtiges Anliegen: „Dafür ist das Team aus Linz der ideale Partner!“

Digitalisierung als Ideenschmiede

„Eine wesentliche Folge unserer breiten Mitarbeitereinbindung war die hohe Identifikation aller Kolleg*innen mit dem Projekt. Deshalb kamen auch sehr schnell Ideen aus den einzelnen Abteilungen, was man noch digitalisieren könne“, verweist Winkler etwa auf die Barcodescans mit automatischer Nachbestellungsfunktion. Für die Umsetzung bildete er mit den jeweiligen Ideengebern und DIG ein magisches Dreieck: „Dazu wird mit der Abteilung ein Blueprint entworfen, der Prozessbaum mit DIG spezifiziert und das Ganze nochmal mit den Anwendern optimiert.“ Die Umsetzungszeit betrage im Schnitt rund einen Monat, zeigt sich Winkler zufrieden: „Bislang sind mindestens zwanzig Ideen für unser eProcurement, aber auch fürs eSourcing entstanden, die uns im Alltag massive Vorteile bringen.“

Digitales Sourcing mit Pilotabteilungsstrategie

Werden die Digitalisierungsmaßnahmen komplexer, schwört Winkler auf den Ersteinsatz in einer Pilotabteilung. „Beim Sourcing zeigte sich schnell eine hohe Komplexität im Prozessbaum. Die Informationstiefe bis hin zu technischen Zeichnungen, die einer Ausschreibung beigelegt werden, steigert das Fehlerpotenzial.“ Auch die Kommunikationsabläufe bei Rückfragen, Fristen oder Ablehnung waren recht anspruchsvoll. „Deshalb haben wir uns für die Pilotabteilungsstrategie entschieden.“ Dabei erfolgt der Roll-out in einer Abteilung, die sich zu den Besonderheiten einer Betaphase bekennt und wertvolles Feedback liefert: „In wöchentlichen Abstimmungsrunden sammeln wir diese Rückmeldungen ein und verarbeiten sie gemeinsam mit DIG in einer agilen Entwicklung, bis die Lösung fit für den Gesamt-Roll-out ist.“ Geplant ist dieser für Mitte 2024.

Vom Bestellbüro zur Innovationsabteilung

Der Erfolg gibt Winkler recht: „Gegenüber rund 1.500 Bestellungen in 2021 konnten wir die übers eProcurement laufenden Beschaffungsprozesse heuer auf 3.600 steigern – wobei es mein Ziel ist, unser ERP im Einkauf nur noch im Backend zu nutzen. Im Frontend soll künftig alles übers eProcurement der DIG laufen.“ Ebenso hat sich das eSourcing bereits in der Betaphase bezahlt gemacht: „Seit dem Go-Live Ende 2022 wurden 201 Ausschreibungen durchgeführt – mit einem Einsparungserfolg von über € 200.000. Unverhandelt, wohlgemerkt.“ Denn neben dem Konsolidierungseffekt führe das eSourcing auch dazu, dass Lieferanten sich einerseits besser vorbereiten können, andererseits aber durch die Automatisierung mehr Konkurrenzdruck spüren.

„Jedenfalls nimmt der Einkauf bei Neuman heute viel mehr die Rolle des Innovationstreibers ein“, beschreibt Winkler das neue Selbstverständnis. Und gibt im gleichen Atemzug einen Ausblick auf die kommenden Themen: „Aus meiner Sicht sind das ganz klar Nachhaltigkeitsprozesse und CO2-Berichtspflicht, Vertragsmanagement und Compliance, sowie die Automatisierung von Verkaufsprozessen mit EDI. Und klar, an K.I. werden auch wir nicht vorbeikommen. Mir schwebt da die Nutzung für die Produktions- und Einkaufsplanung vor.“

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eProcurement dreht sich üblicherweise um C-Teile. Beim Bauunternehmen EQOS beschafft man jedoch im Sinne eines Single Point of Purchase alles darüber - bis hin zu baubezogenen Spezialdienstleistungen.

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