Nachhaltige Beschaffung stellt Anforderungen an Lieferanten
Wieso Lieferanten künftig Nachhaltigkeit liefern müssen
Das AIT Austrian Institute of Technology entwickelt als Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung nicht nur CO2-neutrale Lösungen für Industrie, Energieversorgung und Mobilität. Als strategischer Partner des Klimaschutzministeriums (BMK) nimmt man außerdem im Rahmen des „Aktionsplans nachhaltige öffentliche Beschaffung“ eine Vorreiterrolle ein. Entwickelt werden dabei auch nachhaltige Beschaffungskriterien, die Handlungsbedarf für Lieferanten mit sich bringen.
„Der naBe-Aktionsplan kommt einem längst überfälligen Paradigmenwechsel im Einkauf gleich“, führt Mag. Alexander Svejkovsky, AIT Managing Director aus. „Denn zu den Geboten der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit tritt nun die Umweltgerechtheit hinzu – mit direkter Auswirkung auf das Bestangebotsprinzip.“ Dazu zählt die im deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG) geforderte und auch in der Corporate Sustainability Due Diligence Directive der EU (CSDDD) vorgesehene Einhaltung sozialer Standards in der Produktion bzw. Leistungserbringung. Dazu erläutert Dipl. Wirtschaftsing. (FH) Markus Zörnig, Deputy Head of Purchasing & Logistics beim AIT: „Der Aktionsplan wird in dieser Gemengelage zur strategischen Triebfeder: Die öffentliche Hand auferlegt sich Vorgaben, die von den Lieferanten mitgetragen werden, um im Spiel zu bleiben.“ Was an dieser Stelle nach Druck klinge, mache sich später bezahlt, ist Zörnig überzeugt: „Letztlich wird die Erfüllung dieser Kriterien mit Umsetzung der CSDDD auch am privaten Sektor nicht nur zum Wettbewerbsvorteil, sondern schlicht zur Überlebensfrage.“
Konkrete Maßnahmen im AIT

Transportwege reduzieren

Reisestrecken am Prüfstand
„Vergangen Sommer haben wir den Carbon-Footprint unserer Dienstreisen untersucht“, erzählt Zörnig von signifikantem Senkungspotenzial. „Wir hinterfragen aktuell die Sinnhaftigkeit dieser Reisen ebenso wie die Anzahl der teilnehmenden Personen. Flugstrecken werden auf umweltschonendere Alternativen überprüft.“ Dass es dazu auch eines Anstoßes bei den Betroffenen bedarf, ist sich Zörnig bewusst: „Wir motivieren dazu, das private Klimaticket über die Refundierung der Dienstreisen zu finanzieren. Das ist ein Ansporn Flugreisen zu vermeiden.“ In diesem Zusammenhang sucht man derzeit nach einem Portal, um Dienstreisen entsprechend zu buchen. „Wichtig ist uns eine Angabe des CO2-Werts und eine Darstellung alternativer Reisemöglichkeiten.“ Komplexer Natur seien dabei auch die Co2-Angaben an sich: „Ein vollbesetzter Flug wird einen anderen PFC pro Passagier bedeuten wie ein halbleerer. Das zeigt, wie dynamisch Daten in Echtzeit sein können!“
C-Teile-Einkauf neu denken
Während wissenschaftliche Geräte mangels Alternativen vom Anwendungsbereich des naBe-Aktionsplans ausgenommen sind, sieht Zörnig großes Potenzial im indirekten Segment – und nennt den Einkauf von Verbrauchsmaterialien wie Petrischalen als Beispiel. „Das war bislang eine reine Preisfrage. Heute fließt die ökologische Perspektive ein. Und die ist vielschichtig.“ Denn es müssten auch Faktoren wie das Material (z.B. Recycling-Plastik versus Glas) oder die CO2-Verursachung durch Lieferstrecken berücksichtig werden. Wünschen würde sich Zörnig daher eine übersichtliche und vergleichbare Darstellung: „Eine Information zum PCF beim Produkt wäre ein guter Ansatz. So kann der Bedarfsträger ökonomische und ökologische Faktoren abwägen.“ Da diese Informationen aktuell noch nicht verfügbar sind, setzt Zörnig einen ersten Schritt: „Wir achten sehr auf nachhaltige Webshops und managen Sortimente aktiv mit unseren Lieferanten. In einem eigenen grünen Katalog sind entsprechend qualifizierte Produkte zentral verfügbar.“

Lieferanten müssen Informationen liefern
Angesichts der ab 2024 bevorstehenden CO2-Berichtspflicht sieht Zörnig bei den Lieferanten Handlungsbedarf: „Wir regen das auch in den Jahresgesprächen an und sehen, dass einzelne Lieferanten bereits dabei sind, ihre Datenbanken entsprechend zu erweitern. Vielen ist allerdings noch unklar, was sie alles liefern müssen. Aber zumindest ist der Wille erkennbar!“ Das Informationspaket des Lieferanten wird laut Zörnig entscheidungsrelevant: „Gibt es CO2-Werte zu den Produkten? Angaben zum Verpackungsmaterial oder z.B. auch LkSG-spezifische Informationen? Wenn ich das alles digital verfügbar habe und z.B. im eProcurement-System auswerten kann, reduziert das den Aufwand der Berichterstellung – das ist so wie die CO2-Bepreisung letztlich ein Kostenfaktor, den es zu berücksichtigen gilt.“

Nachhaltige Beschaffung ist Teamarbeit
Die Darstellung des Carbon-Footprints in den Beschaffungen ist aber nur der erste Schritt, schließlich soll dieser ja reduziert werden. „Das AIT hat 1.500 Mitarbeiter in sieben Centern und 55 Units, die bisher gewohnt waren, alles jederzeit irgendwo bestellen zu können“, bringt Zörnig die Herausforderungen des Change-Prozesses auf den Punkt. Um dieses Verhalten entsprechend zu ändern und zu steuern braucht es Bewusstsein, Kommunikation und Motivation: „Dabei kann die Guided Buying Plattform der DIG eine wichtige Rolle einnehmen. Aber auch die eProcurement-Lösung kann mit der Anzeige von CO2-Werten, speziellen Suchfunktionen mit Vorreihung CO2-armer Produkte oder Warenkorb-Auswertungen und sogar Gamification-Ansätzen dazu animieren nachhaltiger zu beschaffen!“
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